Online-Interview mit Herrn Philipp Martin, Bündnis Grundeinkommen (BGE)-Kandidat für die Bundestagswahl 2017, NRW-Landesliste

September 2017

http://deutscher-pressering.de/litfassblatt/bedingungsloses-grundeinkommen/

Deutscher Pressering (dpr):

Die Statements aller größeren Parteien im aktuellen Wahlkampf sind ernüchternd; lediglich geprägt von unpräzisen „Allgemeinplätzen“ und inhaltsarmen „Worthülsen“. Richtungsweisende politische Alternativkonzepte zur momentan noch andauernden Politik des Dauerkompromisses auf kleinstem gemeinsamen Nenner sind nur schwer auszumachen. Erfreulich sind da die wahrzunehmenden Aktivitäten von „Bündnis Grundeinkommen“ (BGE). Auch wenn hier, das aber zum jetzigen Zeitpunkt wohl bewusst, keine fertigen und sofort realisierbaren Lösungskonzepte in der Schublade liegen, gibt es beim BGE innovative und visionäre Ansätze für die Erreichung einer rechtsverbindlichen Sicherstellung der existenziellen Lebensgrundlage der BürgerInnen. Das bedeutet auch die Überwindung systemimmanenter Ungerechtigkeiten der Hartz IV-Regelungen und der damit verbundenen bürokratischen Willkür, hin zur Wiederbelebung der sozialen Marktwirtschaft oder sagen wir noch besser humanistischer Wirtschaftsordnung. Wie würden Sie in groben Rastern formuliert, einem an der Thematik Grundeinkommen interessierten Bürger und somit potentiellen Wähler Ihrer Partei die Ambitionen und Ziele der Partei näherbringen?

Philipp Martin:

Lasst uns gemeinsam ein Zeichen setzen: Mit der Stimme für das Bündnis Grundeinkommen (BGE) wird dem starken Wunsch nach einem Bedingungslosen Grundeinkommen Ausdruck verliehen. Jede einzelne Stimme lässt diesen Wunsch deutlicher erklingen. Mit jeder Stimme zeigen wir den Parteien, die mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen liebäugeln, dass man mit dem Thema Wähler erreicht, wenn man es unmissverständlich und mit deutlichem Willen zur Umsetzung auf die eigene Agenda setzt.

dpr:

Das Bedingungslose Grundeinkommen ist definitiv keine Art „kommunistisches Manifest“ , sondern eher die Basis für individuelle  Gestaltung des Arbeitslebens eines Menschen ohne wirtschaftliche Not und somit  der Selbstbestimmung mit wie viel oder wenig Geld man sein Leben gestalten möchte. Wo sehen Sie die besonderen Vorzüge eines Grundeinkommens?

Philipp Martin:

Das Bedingungslose Grundeinkommen nimmt den Menschen ihre finanzielle Existenzangst. Solche Ängste binden enorm viel Kraft und Aufmerksamkeit. Ermöglichen wir als Gesellschaft diese Bedingungslose finanzielle Grundabsicherung können Menschen ihre positiven Potentiale entfalten und sich auf ihre ganz persönliche Art und ohne Zwang in die Gesellschaft einbringen.

dpr:

Etwas persönlich leisten, heißt ja aber auch, über die langläufige Wahrnehmung „Arbeit gegen Geld“ hinaus, beispielsweise mehr Zeit für die Familie, die Betreuung von Angehörigen oder ehrenamtliches Engagement zu haben. Welche sozialpolitischen Vorteile sehen Sie beim Grundeinkommen?

Philipp Martin:

Sozialpolitische Vorteile sehe ich eine Menge. Zum einen würde es heutigen Leistungsbeziehern einen Teil ihrer Souveränität und ihrer Würde zurückgeben, da sie nicht mehr als Bittsteller dem Staat gegenüberstehen und ein Existenzminimum nicht mehr unterschritten werden kann. Auf der anderen Seite können wir uns einen großen Teil des bürokratischen Kraftaktes bei der Auszahlung von Transferleistungen sparen: Ein großer Anteil des Geldes für sozialpolitische Leistungen bleibt in der Verwaltung dieser Stecken. Bürokratieabbau heißt hier aber nicht Abbau des Sozialstaates. Wenn wir davon ausgehen, dass alle Mitglieder unserer Gesellschaft einen Grundbedarf an Einkommen haben, dann muss dieser auch nicht mehr geprüft und verwaltet werden. Sonderbedarfen, die über ein Grundeinkommen hinausgehen, wird man auch weiterhin gerecht werden müssen.

dpr:

Götz Werner, Gründer der „dm-Drogeriekette“, war einer der ersten deutschen Unternehmer, die sich vehement für das Bedingungslose Grundeinkommen stark gemacht haben. Mittlerweile haben sich eine Reihe hochrangiger Unternehmenslenker positiv dazu geäußert oder zumindest mit der Thematik beschäftigt. Wie bewerten Sie die augenblickliche Sichtweise in Wirtschaftskreisen hierzu?

Philipp Martin:

„Die augenblickliche Sichtweise“ gibt es nicht. Es gibt vielfältige Ansichten dazu, was ein Bedingungsloses Grundeinkommen leisten soll und was nicht. Wir vom Bündnis Grundeinkommen bekennen uns ausdrücklich zu den vier Kriterien des „Netzwerk Grundeinkommen“, wie sie in unserem Programm stehen:

Es soll
– die Existenz sichern und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen,
– einen individuellen Rechtsanspruch darstellen sowie
– ohne Bedürftigkeitsprüfung und
– ohne Zwang zu Arbeit oder anderen Gegenleistungen garantiert werden.

Aus meiner Sicht ist das Bedingungslose Grundeinkommen kein Instrument, um Unternehmer aus ihrer sozialen Verantwortung gegenüber ihrer Mitarbeiter oder gegenüber der Gesellschaft zu nehmen.

dpr:

Verschiedentlich ist der Eindruck zu gewinnen, dass Gewerkschaften kein gesteigertes Interesse an der Einführung eines Grundeinkommens haben, weil einige, der von ihr besetzten Aktionsfelder, wie Mindestlohn, ihre Bedeutung verlieren. Wie bewerten Sie die Rolle von Gewerkschaften im Kontext zum Grundeinkommen?

Philipp Martin:

Die Gewerkschaften haben in Deutschland eine sehr wichtige Rolle und das wird sich durch ein Bedingungsloses Einkommen nicht ändern. In meinen Augen leisten Gewerkschaften einen großen Beitrag zur gesamtgesellschaftlichen Solidarität. Vor allem aber verstärkt sie die Solidarität unter Arbeitnehmern. Das Bedingungslose Grundeinkommen bringt Arbeitnehmer gegenüber der Arbeitgeber in eine bessere Verhandlungsposition. Arbeitnehmer können auch selbstbewusster nein sagen: „Zu diesen Bedingungen arbeite ich nicht.“ Aber genau das sollte doch im Interesse der Gewerkschaften sein. Gewerkschaften bilden das Sprachrohr von Beschäftigten in ihren Forderungen nach guten Arbeitsbedingungen und fairen Löhnen. Sie handeln Tarifverträge aus und fördern darüber hinaus ein breites gesellschaftliches Engagement. Diese Rolle werden Gewerkschaften auch mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen haben. Nur können sie dieser dann noch besser gerecht werden.

dpr:

Wie ist das Bündnis Grundeinkommen für die Bundestagswahl am 24.09.2017 aufgestellt?

Philipp Martin:

Das Bündnis Grundeinkommen ist sehr gut für die Bundestagswahl aufgestellt. Unser Ziel, flächendenkend in allen 16 Bundesländern wählbar zu sein, haben wir erreicht. Jetzt zählt jede Wählerstimme, um dem Wunsch nach einem Bedingungslosen Grundeinkommen Ausdrucksstärke zu verleihen.