Die Partei Bündnis Grundeinkommen (BGE) will 0,5 Prozent der Stimmen

Vize-Chefin der Grundeinkommen-Partei: „Lindner nimmt die Menschen nicht ernst“

Original-Online-Beitrag von John Stanley Hunter

In fast allen deutschen Parteien gibt es Gruppierungen, die sich für das Bedingungslose Grundeinkommen ausprechen. Sie stoßen allerdings häufig in der eigenen Parteiführung auf Widerstand — selbst aus der Wirtschaft kommt in Deutschland mehr Zuspruch für das Konzept als aus den größeren Parteien.

Viele Chefs großer Konzerne haben sich inzwischen für ein Grundeinkommen ausgesprochen, darunter Tim Höttges von der Telekom oder dm-Gründer Götz Werner. Trotzdem stößt das Thema in der Politik kaum auf Interesse. Auch US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton traute sich erst in diesem Jahr, sich öffentlich für das Konzept auszusprechen.

Etablierte Parteien scheinen einen Bogen um das Thema zu machen. Um das zu ändern, müsste das Thema ausgiebig im Wahlkampf besprochen werden, sagt Cosima Kern. Die 23-jährige Philosophie- und VWL-Studentin ist stellvertretende Bundesvorsitzende von Bündnis Grundeinkommen (BGE). Die Ein-Themen-Partei zieht in diesem Jahr zum ersten Mal in den Bundestagswahlkampf.

Das Ziel: 0,5 Prozent aller Stimmen

Im Gespräch mit Business Insider nennt sie die 22 Prozent, die Befürworter des Grundeinkommens im vergangenen Jahr bei einer Volksabstimmung in der Schweiz bekommen haben, einen Erfolg. „Ziel waren 15 Prozent, also war das Endergebnis ein klares Signal dafür, dass die Debatte über das Grundeinkommen nötig ist“, sagt Kern. Das sei auch die Initialzündung für die Parteigründung im vergangenen Jahr gewesen. In den Bundestag will die Partei nicht, dafür sei die modellneutrale Forderung zu unkonkret.

Aktuell verfolge man zwei Hauptziele, so Kern. Langfristig soll das Thema Grundeinkommen mehr Aufmerksamkeit bekommen — und im Wahlkampf platziert werden. Bei der Bundestagswahl will die Partei mindestens 0,5 Prozent der Wählerstimmen erhalten, denn dadurch stünden dem Bündnis staatliche Parteienfinanzierungen zu. Dafür ist hilfreich, dass eingetragene Parteien in den öffentlich-rechtlichen Medien eine sogenannte Wahlsendezeit nach dem Prinzip der Chancengleichheit bekommen.

Wirtschaftlich ist ein Grundeinkommen durchaus machbar

Das Thema stoße bei Gesprächen mit kleineren Gruppen auf großes Interesse. Vor kurzem habe sich das Bündnis in Berlin mit elf weiteren Kleinparteien getroffen — sie alle sprachen sich für das Konzept aus.

Kern unterstützt das Grundeinkommen aus zwei Gründen. „Zum einen ist der wirtschaftliche Faktor wichtig. Wir sind als Bündnis zwar modellneutral, aber eine einfache Rechnung zeigt doch, dass die Ressourcen da wären, unabhängig davon, wie wir es letztlich konkret gestalten“, sagt die Studentin. „Wir hatten 2016 etwa 900 Milliarden Euro an Sozialausgaben. Rechnet man das durch 82 Millionen Einwohner, bekommt jeder etwa 900 Euro im Monat.“

„Es muss ein Arschtritt durch Deutschland gehen“

Viel wichtiger sei allerdings der psychische Faktor. Kern spricht von minimalem Druck, man könne sich ganz anders ausleben, wenn eine finanzielle Grundabsicherung da sei. Das Weltbild von FDP-Chef Christian Lindner findet sie deshalb befremdlich, wie sie sagt.

Lindner hatte am Montag in der TV-Sendung „Ein Mann, eine Wahl“ mit Moderator und Entertainer Klaas Heufer-Umlauf davon gesprochen, dass die Menschen einen „Arschtritt“ bräuchten. „Zum Beispiel als 18-Jähriger bekommst du angenommen mal Bedingungsloses Grundeinkommen und da sagst du, ,Ja, reicht mir‘“, sagte Lindner. „Aber so den Anschub zu bekommen, ,Lern was. Mach einen Job. Komm weiter im Leben‘, macht die Menschen am Ende vielleicht viel glücklicher, als wenn man sie auf der Couch belässt.“

Lindner wäre mit 18 auch nicht auf der Couch geblieben

Kern ist sicher: Lindner wäre auch nicht im Alter von 18 Jahren auf der Couch geblieben, wenn er damals das Grundeinkommen erhalten hätte. „Aber es ist ein interessantes Menschenbild, das Herr Lindner da hat. Ich frage mich, ob er die Menschen in ihren Belangen ernst nimmt“, sagt sie. Wenn Kern Menschen befragt, was sie tun würden, wenn das Grundeinkommen eingeführt würde, sagen die allerwenigsten, sie würden auf der Couch bleiben.

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Aber sie erkennt auch, dass sich eine Gesellschaft mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen verändert. „Man muss den Menschen natürlich Perspektiven aufzeigen. Das ist Aufgabe eines reformierten Bildungssystems, das die Menschen auf die Herausforderungen in unserer Gesellschaft vorbereitet.“ Ähnlich klingt auch Christian Lindner, wenn es um Bildung geht. Er meint damit allerdings die Digitalisierung.