In der nächsten „Erzählstube“ in Burladingen, Ortsteil Melchingen, am Sonntag, 14. Januar, um 17.30 Uhr in der St. Bernhartstraße 15 ist der Stuttgarter Kulturmanager Peter Jakobeit zu Gast. Er wird über das bedingungslose Grundeinkommen referieren. Wir haben vorab mit ihm über das Thema gesprochen.

Original-Online-Beitrag

Herr Jakobeit, Sie sind vehementer Verfechter eines bedingungslosen Grundeinkommens und würden das Arbeitslosengeld II, also Hartz IV, gern abschaffen. Warum?

Weil es eine unmenschliche Behandlung mündiger Staatsbürger ist. Aber es geht gar nicht nur um Hartz IV. Es geht darum, welches Menschenbild wir als Gesellschaft haben wollen: Definieren wir den Wert eines Menschen nach der Höhe seines Einkommens, vor allem auch nach einer geringen Höhe seines Einkommens, oder bezieht der Mensch seinen „Wert“ allein aus der Tatsache, dass er eben ein Mensch ist. Geschützt und respektiert leben zu können, ist ein Menschenrecht. Dazu gehört mittlerweile ein ausreichendes Einkommen. Deswegen: bedingungsloses Grundeinkommen. Bedingungslos in dem Sinne, dass die einzige Bedingung ist, ein Mensch zu sein.

Es geht Ihnen also nicht nur um die bisher durch Arbeitslosengeld aufgefangenen Sozialfälle, sondern um eine grundsätzliche Absicherung jeden Bürgers?

Jein. Der Bürger soll primär nicht nur abgesichert werden, sondern Teilhabe wahrnehmen können. Teilhabe an den gesellschaftlichen Vorgängen. Dazu zählt natürlich auch der Konsum. Selbstverständlich hat ein Grundeinkommen also auch die Funktion einer finanziellen Absicherung. Aber der originäre Ansatz ist ein anderer, nämlich der, den ich vorhin schon skizziert habe: das Menschenbild. Das ist das eigentlich Revolutionäre an der Idee des Grundeinkommens: der Mensch steht im Mittelpunkt der Betrachtung, nicht seine Arbeitskraft. Dahinter steckt etwas mit sehr viel Sprengkraft, nämlich der Gedanke, den Menschen frei zu machen, zum Beispiel von ökonomischen Zwängen. Die Durchökonomisierung unserer Welt führt am Ende, aber für alle sichtbar, zu Krieg, Fluchtursachen und Umweltzerstörung. Von daher ist die Forderung nach dem bedingungslosen Grundeinkommen schon so eine Art „trojanisches Pferd“. Es werden sehr viele andere Themen mittransportiert. Behutsam ausgedrückt: es ist ein Querschnittsthema.

Wie hoch sollte denn das bedingungslose Grundeinkommen ihrer Meinung nach sein?

Vorsicht Fangfrage! Wenn man mich das heute fragt, wird die Antwort eine andere sein, als wenn man mich in zehn Jahren befragen würde. Aber ganz ausweichen will ich auch nicht. Je nach Modell werden derzeit 1000 bis 1500 Euro monatlich genannt – netto, versteht sich. Ich persönlich sehe meine Zielmarke derzeit eher bei den 1500 als bei den 1000 Euro.

Wie sieht denn die Rechnung aus, die Befürworter eines Grundeinkommens aufmachen?

Anders herum: Genügend viele Experten haben durchgerechnet, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen finanzierbar ist. Das ist in drei Minuten gegoogelt. Deswegen drehe ich den Spieß um und frage all diejenigen, die es für unfinanzierbar halten: Wie kommen sie auf diesen Unsinn? Können sie das verifizieren, belegen? Letztlich wird es eine Frage des politischen Konsenses sein, welche Finanzierungsmethode sich etablieren wird.

Welche prominenten Ökonomen und Wirtschaftswissenschaftler unterstützen denn Ihre Idee?

Viele, und es werden quasi täglich mehr. Halb Silicon Valley unterstützt diese Idee, Professor Neumärker von der Uni Freiburg, Sascha Liebermann, Richard David Precht, Harald Schmidt, Götz Werner, Markus Lanz, die Führungsriege der GLS-Bank, der Chef der Deutschen Telekom, Timotheus Höttges, und viele, viele mehr. Die Motive dürften sicher unterschiedlich sein, aber eine richtige Idee wird nicht falsch durch die Vielfarbigkeit ihrer Unterstützer.

Und in der bundesdeutschen Parteienlandschaft, wie werden die Ideen des BGE, also des Bündnis Grundeinkommen, da gehandelt?

Naja, die SPD verschläft grade die Chance, ihr selbst fabriziertes Wählerdebakel wegen der Agenda 2010 zu korrigieren. Ansonsten kann man feststellen, dass es in allen Parteien oder Fraktionen Befürworter eines Grundeinkommens gibt. Bei den Linken mehr als bei der CSU, aber immerhin. Das Thema ist im Kommen. Die Jugendorganisationen sind da schon etwas weiter.

Gibt es denn irgendwo schon Modellversuche zum Grundeinkommen – und mit welchem Ergebnis?

Es gibt Modellversuche. Aber ein Modell ist nicht die Wirklichkeit. Das bekannteste läuft derzeit in Finnland. Es gibt dazu noch keine gesicherten Ergebnisse, aber was man weiß, unterstreicht die Erwartungen: sinkende Krankenstände, motiviertere Menschen, mehr Arbeitsverhältnisse. In den USA wird derzeit ein längerer kanadischer Versuch aus den 70er Jahren ausgewertet. Mitte des Jahres wird man davon hören. Aber was bis jetzt durchsickert, lässt aufhorchen.

Und in Deutschland?

Die Berliner Initiative „Mein Grundeinkommen“. Der gemeinnützige Verein sammelt Geld, um ein Grundeinkommen von 1000 Euro pro Monat für ein Jahr an ausgeloste Personen zu verteilen. Das sind mittlerweile fünf bis sieben Menschen jeden Monat.

Die Fragen stellte Erika Rapthel-Kieser

 

Der 62-Jährige Peter Jakobeit aus Stuttgart ist Kulturmanager und stellvertretender Landesvorsitzender der Grundeinkommenspartei „Bündnis Grundeinkommen“. Er kandidierte auf Platz zwei der Landesliste Baden-Württemberg für die Bundestagswahl 2017.