Der Wahl-O-Mat ist der bekannteste Wahlautomat – aber ist er auch der beste? (von lena-b)

Wahlhelfer: Den Wahl-O-Mat kennt jeder. Aber wie gut sind Bundeswahlkompass, Wahlnavi oder Wahlswiper bei der Suche nach der richtigen Partei? Unsere Autorin hat alle getestet. Begeistert war sie von einem Neuling.

Insgesamt 48 Parteien sind bei der Bundestagswahl 2017 zugelassen. Aber welche soll ich wählen? Zum Glück gibt es Apps und Websites, die mir die Entscheidung leichter machen. Hier teste ich die vier besten Alternativen.

Bevor du loslegst noch ein Hinweis: Keiner der Wahlautomaten kann oder will dir sagen, welche Partei du wählen sollst. Sie dienen lediglich zur Orientierung und Information. Am Ende musst allein du entscheiden, welche Partei am besten zu dir passt.

Wahl-O-Mat
Der Wahl-O-Mat ist eine Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung. Es gibt ihn seit 2002 und mittlerweile ist er das bekannteste Tool seiner Art in Deutschland. Die Nutzer bekommen 38 Aussagen angezeigt, die ein Team aus 26 Jung- und Erstwählern aus ganz Deutschland formuliert hat. Die Autoren griffen dazu auf die Wahlprogramme und politischen Äußerungen der Parteien zurück. Wissenschaftler der Bundeszentrale für politische Bildung unterstützten sie dabei.

Die Bedienung:
Pro Aussage wähle ich mit einem einfachen Klick zwischen drei Antwort-Optionen: „Stimme zu“, „Neutral“ oder „Stimme nicht zu“. Wenn ich zu einer Aussage keine Meinung habe, kann ich sie überspringen. Nach der Befragung kann ich Antworten auswählen, die mir besonders am Herzen liegen. Schließlich kann ich bis zu acht von insgesamt 32 Parteien auswählen, mit denen ich meine Angaben vergleichen will.
Mein Ergebnis:
Das Ergebnis wird als übersichtliches Balkendiagramm angezeigt. Laut Wahl-O-Mat passt das Parteiprogramm der Piraten mit 63,4% am besten zu meiner politischen Gesinnung. Danach folgt mit 62,2% die Linke und mit 59,8% die FDP.
Das ist cool:
Für den Wahl-O-Mat wurden 32 Parteien befragt. Zu jeder Aussage im Test ist von jeder Partei jede einzelne Antwort einsehbar. Außerdem haben die Parteien zu fast jeder Antwort noch eine Stellungnahme beigefügt. Das alles sorgt für viel Transparenz – wenn man viel Zeit mitbringt.
Das ist doof:
Meine Position kann ich nur mit acht Parteien vergleichen. Das ist zwar übersichtlich, schließt aber von vornherein viele Parteien aus, die vielleicht eher mit meiner Meinung übereinstimmen. Außerdem fehlen meiner Meinung nach Thesen zu wichtigen politischen Themengebieten: Bildung und Infrastruktur werden kaum behandelt.
Irgendwie komisch:
Manchmal ist auch der gute alte Wahl-O-Mat mit seinem Latein am Ende. Gebe ich zum Beispiel jedes mal an, dass ich nicht zustimme, kommt am Ende kein Ergebnis raus.

Bundeswahlkompass
Den Bundeswahlkompass gibt es seit 2013. Nach der damaligen Bundestagswahl geht er nun in seine zweite Runde. Auf dieser Website muss man sich durch 30 Fragen klicken, die Wahl- und Parteiforscher aufgestellt haben. Die Fragen sollen die wichtigsten Themen der Bundestagswahl abbilden.

Die Bedienung:
Ähnlich einfach wie beim Wahl-O-Mat, allerdings mit mehr Antwortmöglichkeiten. Über fünf Optionen kann man von „Stimme vollkommen zu“ bis „Stimme überhaupt nicht zu“ entscheiden oder die Frage überspringen.
Mein Ergebnis:
Die Auswertung erfolgt in einem Koordinatensystem. Darin werden meine Position und die Positionen der Parteien im politischen Spektrum angezeigt. Den ungefähren Koordinaten zufolge sollte ich laut Bundeswahlkompass am besten die SPD oder die FDP wählen.
Das ist cool:
Das Ergebnis ist sehr übersichtlich. Außerdem kann ich noch einmal jede Frage einzeln anschauen und prüfen, was die Parteien ausgewählt haben.
Das ist doof:
In dem Koordinatensystem werden nur sechs Parteien angezeigt. Gerade bei der Art der Darstellung hätte man die kleinen Parteien problemlos mit reinnehmen können. Doch die Macher haben die Parteien, die keine Chance auf einen Sitz im Bundestag haben, direkt außen vor gelassen. Außerdem ist das Ergebnis sehr ungenau. Da keine Zahlenwerte angegeben sind, muss ich anhand des Abstandes im Koordinatensystem abschätzen, welche Partei mir am nächsten steht.
Irgendwie komisch:
Im Koordinatensystem stehen CSU und FDP weiter rechts als die AfD , obwohl diese Partei deutlich extremer geantwortet hat.

Wahlnavi 2017
Das Wahlnavi 2017 ist ein Projekt von RTL. Es umfasst 45 Fragen, die Politikwissenschaftler aufgesetzt haben, indem sie die Wahlprogramme analysiert und die Parteien befragt haben.

Die Bedienung:
Absolut cool. Es gibt die selben Antwortmöglichkeiten wie beim Bundeswahlkompass und die Option, eine Aussage zu überspringen. Ich kann hier aber nicht nur klicken, sondern auch tippen. Unter den Antworten stehen Buchstaben, die ich mit der entsprechenden Taste einloggen kann.
Mein Ergebnis:
Auch hier ähnelt die Webseite dem Bundeswahlkompass – mit einem Vorteil. Zusätzlich zum Koordinatensystem zeigt mir ein Balkendiagramm meine Übereinstimmung mit den Parteien in Prozent an. Demnach stimme ich sowohl mit SPD als auch mit FDP zu 68 Prozent überein.
Das ist cool:
Auch dieser Wahlautomat macht transparent, was die Parteien geantwortet haben. Im Anschluss an die Befragung kann ich angeben, welche Themen mir besonders am Herzen liegen und mein Ergebnis so nochmal anpassen. Und: Ich hatte das erste Mal das Gefühl, genug zu Bildung und Infrastruktur sagen zu können.
Das ist doof:
Wieder werden nur die sechs großen Parteien berücksichtigt. Zudem passten die Antwort-Optionen manchmal nicht hundertprozentig zur Frage.
Irgendwie komisch:
Die SPD wird im Koordinatensystem links, die FDP rechts eingeordnet. Beide sollen meine politischen Vorstellungen gleichermaßen wiedergeben. Demnach scheine ich sehr flexibel zu sein.

Wahlswiper
Zur Wahl stehen 30 Aussagen von jungen und älteren Erstwählern und von Menschen, die bislang keinen guten Zugang zu Politik hatten. Unterstützung erhielten sie von einem Team aus Politikstudenten und Journalisten. Zum Schluss wurden die Fragen von Politikwissenschaftlern geprüft.

Die Bedienung:
Rechts wischen: Ja. Links wischen: Nein. Fertig.
Mein Ergebnis:
Da ich meine Antworten mit denen von 27 anderen Parteien vergleichen kann, steht am Ende ein unerwartetes Ergebnis: Meine Vorstellungen stimmen zu 79,3% mit denen der BGE (Bündnis Grundeinkommen) und der Neuen Liberalen sowie zu 75,9% mit denen der DiB (Demokratie in Bewegung) überein. Alles kleine Parteien, von denen ich vorher noch nicht gehört habe.
Das ist cool:
Zu jeder Frage kann ich direkt in der App ein Youtube-Video abspielen, das mir das jeweilige Thema erklärt, falls ich es nicht verstehe. Die Erklärungen sind simpel und neutral. Sie wiegen das Pro und Contra der Thematik ab und geben mir so die Möglichkeit, mich guten Gewissens dafür oder dagegen zu entscheiden.
Der Wahlswiper bezieht außerdem alle Parteien beim Ergebnis mit ein und zeigt alle Partei-Antworten mit ihrer Begründung an. So eröffnen sich mir neue, ungekannte Wahloptionen. Nur weil eine Partei klein und unbekannt ist, muss sie nicht schlechter sein als die Altparteien. Jeder hat schließlich mal klein angefangen.
Das ist doof:
Manch einen Nutzer mag die Vielzahl der Parteien am Ende überfordern. Ich persönlich habe keine Mängel gefunden.
Irgendwie komisch:
Warum gab’s den Wahlswiper nicht schon früher?

Fazit
Obwohl sich die Aussagen bei allen vier Wahlautomaten ähneln und ich jedes Mal mit der gleichen Überzeugung geantwortet habe, kamen teils sehr unterschiedliche Ergenisse raus.
Das Wahlnavi 2017 von RTL und der Bundeswahlkompass haben mich nicht überzeugt. Die Macher des Bundeswahlkompass‘ haben sich auf Twitter dafür gefeiert, viel besser als der Wahl-O-Mat zu sein. Dabei bietet der Wahlkompass in meinen Augen die wenigsten Features.
Der Wahl-O-Mat hat es sich über die Jahre durchaus verdient, in Medien und Schulen als das Non-Plus-Ultra zu gelten. Doch in diesem Jahr bekommt er starke Konkurrenz: Der Wahlswiper schafft es in meinem Check dank cooler Erklärvideos und einfachster Bedienung auf Platz Eins.

Wie machst du dich fit für die Wahl? Schreib mir oder sag‘ uns deine Meinung auf Facebook und Twitter.

http://orange.handelsblatt.com/artikel/32888