Die Frage ist: Macht uns Geld, das einfach so jeden Monat auf unser Konto überwiesen wird, faul oder fleißig? Darüber wird seit Jahren gestritten (und natürlich auch darüber, wer den ganzen Spaß finanzieren soll). Nun will es Finnland genau wissen und spendiert als erstes europäisches Land einigen seiner Bürger probehalber ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE). Wie wird es die Menschen verändern? Davon könnte auch abhängen, wie unser Leben in Zukunft aussehen wird.

von Ursula Willimsky

Was würde ich tun, wenn ich nicht mehr arbeiten MÜSSTE? Jedes Mal, wenn eine Lotterie als Hauptgewinn eine Sofortrente verspricht, bleibt man doch kurz stehen und denkt sich: „Achja. Schön wäre es!“ Keine Geldsorgen mehr – stattdessen die Chance, endlich das zu tun, was man wirklich will! Wir behaupten: Die Wenigsten würden von einem Leben auf dem Sofa träumen, das allein vom Rascheln der Chipstüten untermalt ist.

Schließlich wissen wir alle, dass Beschäftigungslosigkeit krank machen kann. Diverse Studien belegen, dass sich Arbeitslosigkeit auf die Psyche legen kann, dass Arbeitslose häufig darunter leiden, keiner Gruppe mehr anzugehören. Manche fühlen sich stigmatisiert, auch dadurch, dass sie nun von Hilfen wie Hartz IV abhängig sind.

Klar. Es gibt immer Menschen, die bedingungslos auf Kosten der Allgemeinheit leben. Wer das will, kann das auch schon heute tun. Aber es gibt auch die vielen anderen: Die gerne arbeiten würden, es aber wegen der Kinder, der pflegebedürftigen Mutter oder schlicht mangels passenden Job-Angeboten nicht können. Zumindest nicht Vollzeit.

Es gibt die Selbständigen und Teilzeitkräfte, die nicht genug verdienen, um sich und ihre Familien zu ernähren, und deshalb „aufstocken“ müssen. Was mit viel Bürokratie verbunden ist. Und – nicht nur bei Leuten, die Hartz IV bekommen – manchmal die Frage aufwerfen mag: Wofür plage ich mich überhaupt? Dafür, dass ich von den 300 Euro, die ich dazu verdient habe, 160 Euro anrechnen lassen muss? Dafür, dass ich jeden Tag elf Stunden in meinem Kiosk stehe und es trotzdem nicht für eine anständige Rente reichen wird? Und auch nicht dafür, mir ab und an von jemandem aushelfen zu lassen, der 8,50 Euro die Stunde nimmt?
Neue Perspektiven

Solchen Menschen könnte ein BGE helfen, ihrem Leben eine neue Richtung zu geben – was unterm Strich auch der Gemeinschaft zu Gute kommen könnte. So wie dem gelernten Konditor aus Thüringen, der am Fließband arbeitet, aber davon träumt, die verwaiste Bäckerei in seinem Heimatdorf wiederzubeleben. Wenn ihn ein Grundeinkommen absichern würde, würde er vielleicht den Sprung wagen – und die Dorfgemeinschaft hätte auch was davon.

Diese Geschichte erzählt Susanne Schickschneidt in einem Interview mit der „Thüringer Allgemeinen“. Sie setzt sich für das BGE ein, weil sie arbeitet und am Ende des Jahres auch nicht mehr auf dem Konto hat, als mit Hartz IV. Schickschneidt ist Mitglied im bundesweiten „Netzwerk Grundeinkommen“. Seit etwa einem halben Jahr gibt es auch eine Grundeinkommenspartei, die mit nur einem Thema in den Wahlkampf zieht – weshalb das Wahlkampfprogramm auch auf einer Seite Platz hat.

In Berlin sammelt eine Crowd-Funding-Aktion seit Jahren Geld für zeitlich begrenzte Grundeinkommen. Immer, wenn 12.000 Euro zusammen sind, wird ein neues BGE verlost. Nicht alle 74 Gewinner entschieden sich für ein Jahr in der Hängematte – Erfolgsgeschichten erzählen von Menschen, die es noch einmal wissen wollten und eine Ausbildung machten. Oder endlich die Zeit hatten, den Doktortitel in Tiermedizin zu machen. Mit Kind, aber ohne zeitfressenden Job. Wer ehrgeizig ist, Visionen hat oder einen Job, der ihn erfüllt, wird auch mit BGE gerne arbeiten.

Auch viele Wirtschaftsbosse und -experten sprechen sich inzwischen für die ein oder andere Form eines BGE aus. Wegen der Potenziale, die freiwerden, schon klar. Aber auch schlicht wegen Zukunftsvisionen, die voraussagen, dass immer mehr Menschen-Jobs bald von Maschinen erledigt werden. Ganz vereinfacht: Für diese Menschen muss eine neue Perspektive gefunden werden, die mehr zu bieten hat als Arbeitslosengeld und viel Bürokratie. Wie finanzieren? Dafür müssen Experten tragfähige Modelle entwickeln.

Auch in Finnland geht es nicht nur um humanistische Gründe. Der Staat will für Arbeitslose (nur unter ihnen wurden die 560 Euro monatlich verlost) Anreize schaffen, zumindest einen Halbtagsjob anzunehmen. Außerdem soll durch den Versuch die Überbürokratisierung abgebaut werden. Aber vielleicht macht der Test ja sogar ganz unbürokratisch ein paar Menschen glücklich und hilft ihnen, ihr Ding im Leben zu finden.

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