Die Anhänger des „Bündnis Grundeinkommen“ haben es auf den Wahlzettel am 24. September geschafft. Zu Recht. Zumindest diskutieren sollte man den Vorschlag.

Natürlich sind sie ein bisschen stolz. Und das dürfen sie auch sein. Immerhin haben es die Anhänger des „Bündnisses Grundeinkommen“ (BGE) geschafft, dass ihre Partei bei der Bundestagswahl in ganz Deutschland auf den Wahlzetteln steht. Für eine neue Formation ist das ein Erfolg, weil es im deutschen Wahlrecht für Neulinge kein Kinderspiel ist, die formalen Anforderungen zu erfüllen und sich überhaupt zur Wahl stellen zu können.
Diese Hürde hat das Bündnis übersprungen: Somit können nun die Bürger am 24. September entscheiden, was sie vom Anliegen des BGE halten.

Schon seit langem macht sich eine eingeschworene und bemerkenswert große Gruppe genau darüber Gedanken. Trotzdem haben es die meisten etablierten Parteien versäumt, das Grundeinkommen auch nur zu diskutieren. Dabei wäre es mit seinen vielen Facetten und, ja, mit seinen vielen ungeklärten Fragen zum Beispiel eine Enquete-Kommission des Bundestags wert. Die gibt es nicht, weil Union, SPD, FDP, Teile der Linkspartei und der Grünen sowie Arbeitgeber und die Gewerkschaften die Idee für bloße Spinnerei halten. Doch das Schöne an der Demokratie ist, dass die „Spinner“ dann eben ihren eigenen Laden aufmachen.

Eine Billionen Euro für Soziales

Dabei können sie auf eine interessante Zahl verweisen, die Finanzminister Wolfgang Schäuble genannt hat: Deutschland gebe eine Billion Euro im Jahr für Soziales aus, was pro Kopf vom Baby bis zum Hochbetagten etwa 12 500 Euro im Jahr entspreche. Also darf man die Frage stellen, ob ein Grundeinkommen wirklich unbezahlbar ist, wie seine Gegner immer behaupten. Natürlich sind 1040 Euro im Monat nicht üppig viel Geld. Allerdings würden viele weiter erwerbstätig sein – auch wenn sie nicht mehr gezwungen wären, arbeiten zu gehen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Zugegeben: Der letzte Satz ist höchst umstritten. Die Finanzen sind ja nicht der einzige Einwand. Der andere fängt auch mit „F“ an und heißt: Faulheit. Die Kritiker meinen, dass die Menschen dem Müßiggang frönten, wenn sie bedingungslos 1040 Euro im Monat bekämen. Diese herablassende Unterstellung beißt sich jedoch mit Erhebungen, die zu diesem Punkt gemacht wurden. Fast alle Befragten gaben an, keineswegs die Hände in den Schoss legen zu wollen. Natürlich weiß niemand, ob das auch so wäre, wenn es das Grundeinkommen wirklich gäbe. Nur müssten die Anhänger der Faulheits-These mal erklären, warum heute viele berufstätig sind, die anderweitig abgesichert sind – sei es, weil ihr Partner gut verdient oder weil sie eine Rente bekommen. Ja, es gibt Ältere, die nur wenig Rente haben und deshalb hinzuverdienen müssen. Es gibt aber auch die, die mit ihrem Altersgeld auskommen, zugleich aber die Erfüllung und die Sozialkontakte nicht missen wollen, die die Arbeit ihnen gibt.

Es ist eine ökonomische Frage

Jedenfalls wäre es falsch, wegen der unbewiesenen Faulheits-Vermutung die Debatte über das Grundeinkommen ad acta zu legen. Denn niemand weiß, wie sich die wirtschaftliche Lage weiter entwickelt. Journalisten neigen zu Übertreibungen, wohl wahr. Aber wer wollte bestreiten, dass die Digitalisierung einen Strukturwandel auslöst, wie es ihn seit der industriellen Revolution vor 150 Jahren nicht mehr gab? Gut möglich also, dass die Firmen weiter eine hohe Wertschöpfung schaffen, dafür aber viel weniger Mitarbeiter brauchen. Bei vielen wäre Arbeit also nicht länger die Basis für Kaufkraft und soziale Sicherung. Deshalb muss schon heute möglichst genau geprüft und diskutiert werden, ob das Grundeinkommen in dem Fall die soziale Sicherung schafft. Das Grundeinkommen ist eben im Kern eine ökonomische Frage, was auch erklärt, warum sich seit langem so viele Ökonomen damit befassen. Und die, nur so nebenbei bemerkt, neigen nicht zu Spinnereien.