Automatisierung von Jobs Ist das Grundeinkommen die Antwort auf den digitalen Arbeitsmarkt? (von Philipp Depiereux) – Ersetzen Roboter in Zukunft den Menschen und machen ihn arbeitslos?
[Darin u.a.: Auch in der Politik ist das Thema angekommen: In diesem Jahr zieht zum ersten Mal die 2016 gegründete Ein-Themen-Partei „Bündnis Grundeinkommen“ in den Bundestagswahlkampf.]

Digitalisierung und Automatisierung sind längst keine Zukunftsmusik mehr, sondern Teil einer Realität, die auch den Arbeitsmarkt verändern wird. Höchste Zeit also, über künftige Arbeitsmarktkonzepte nachzudenken.
Auf der A9 testen MAN und DB Schenker vernetzte, fahrerlose Lkw-Konvois, die Kraftfahrer schon bald überflüssig machen könnten. Der Roboter Hadrian zieht in zwei Tagen ein ganzes Haus im Rohbau hoch und übernimmt damit die Arbeit des Maurers. Und Legal Chatbots ersetzen Anwälte, indem sie mithilfe von Algorithmen auf Knopfdruck Rechtsberatung bieten.
1,5 Millionen traditionelle Arbeitsplätze werden bis 2025 in Deutschland verschwinden, so die Prognose des Forschungsinstituts der Bundesagentur für Arbeit. Das betrifft nicht nur Geringqualifizierte aus Industrie, Logistik und Handwerk, sondern durchaus auch Akademiker wie Ärzte, Steuerberater oder Banker. Computer, das sind nicht mehr „Rechner“, die schlicht Befehle ausführen, sondern lernfähige Maschinen, die komplexe Probleme lösen und am Ende in der Lage sind, bessere Entscheidungen zu treffen als der Mensch.
Schon heute kann man 80 Prozent aller Arbeiten mit künstlicher Intelligenz erledigen. Smarte Maschinen entscheiden über die Geldanlage oder werten Röntgenbilder aus. Das heißt: Kein Unternehmen und kein Mitarbeiter kann es sich leisten, diese Entwicklungen zu ignorieren.

Natürlich, es entstehen durch den digitalen Wandel auch zahlreiche neue Jobs, ganz neue Berufsbilder und es bieten sich enorme Potenziale für die Wirtschaft. Dennoch können die Umwälzungen für den Einzelnen gravierend sein. Und auch wenn der Großteil der Arbeitnehmer durch Umschulung und Weiterbildung fit für die Erfordernisse der digitalen Wirtschaft gemacht werden kann – nicht alle Menschen werden bei diesem Wandel mithalten können. Eine Möglichkeit, diese Unwucht abzufangen, ist das bedingungslose Grundeinkommen – kurz: BGE.

Einkommen für alle – ganz ohne Gegenleistung

Das Konzept klingt verlockend: Ganz ohne Gegenleistung erhält jeder, egal ob arm oder reich, ob berufstätig oder nicht, bis zu 1.500 Euro pro Monat vom Staat. Befürworter erhoffen sich vom bedingungslosen Grundeinkommen mehr Freiheit und Sicherheit. Gerade im Hinblick auf die Folgen der Digitalisierung und Automatisierung soll es der befürchteten Massenarbeitslosigkeit entgegenwirken und das Armutsrisiko senken.

Außerdem, so die Hoffnung, soll das BGE die Arbeitsmotivation und Leistungsfähigkeit erhöhen, weil Menschen die Möglichkeit bekommen, so zu arbeiten und zu leben, wie sie es schon immer tun wollten – etwa mehr Zeit mit der Familie verbringen, sich sozial engagieren oder Erholungsphasen einplanen. Laut einer aktuellen länderübergreifenden Studie von Ipsos befürworten 52 Prozent der Deutschen die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens.

Top-Manager wie Tesla- und SpaceX-Gründer Elon Musk, Telekom-CEO Timotheus Höttges und Siemens-Vorstandschef Joe Kaeser teilen diese Meinung. Dies ist umso erstaunlicher, da gerade sie für den digitalen Wandel stehen, der eben dieses Grundeinkommen notwendig machen soll. Auch in der Politik ist das Thema angekommen: In diesem Jahr zieht zum ersten Mal die 2016 gegründete Ein-Themen-Partei „Bündnis Grundeinkommen“ in den Bundestagswahlkampf.

Fatale Folgen für Arbeitsmoral und Sozialsysteme?

Die große Koalition hingegen lehnt das Konzept weiterhin ab. Auch Ver.di-Chef Frank Bsirske gehört zu den Kritikern und beruft sich dabei vor allem auf die Frage der Finanzierbarkeit. In der Tat ist diese noch nicht geklärt. Wahrscheinlich müssten Sozialversicherungs- und Steuersysteme angepasst werden, die Einkommens- und Mehrwertsteuer könnten drastisch erhöht werden.

Außerdem, so die Befürchtung, könnte das Grundeinkommen die Arbeitsmoral senken und insbesondere Geringverdiener dazu verleiten, ihre Arbeit komplett aufzugeben. Und ob ein gleiches Einkommen auch für alle „gleich gerecht“ ist, wird ebenfalls diskutiert. Nicht nur deshalb spricht sich auch die IG Metall gegen das BGE aus und erinnert daran, dass Arbeit nicht nur den Lebensunterhalt sichert, sondern auch Anerkennung, Selbstbestätigung und gesellschaftliche Teilhabe bietet.

Erste Testläufe bereits gestartet

An einigen Stellen wird das bedingungslose Grundeinkommen bereits getestet. In Finnland erhalten 2.000 Arbeitslose zwei Jahre lang 560 Euro im Monat anstelle des Arbeitslosengeldes. Da das Grundeinkommen nicht versteuert wird, soll Bürokratie abgebaut und die Menschen durch das Experiment zum Arbeiten motiviert werden.

In Deutschland macht Schleswig-Holstein den ersten Schritt: Die Jamaika-Koalition möchte das Grundeinkommen zunächst vereinzelt und auf begrenzte Zeit testen. In der Schweiz hingegen wird es das BGE vorerst nicht geben: In einer entsprechenden Volksabstimmung stimmten im vergangenen Jahr nur 23 Prozent für die Einführung.

Der Mensch im Mittelpunkt der Digitalisierung

Ob das bedingungslose Grundeinkommen geeignet ist, die mit der Digitalisierung einhergehenden Herausforderungen zu meistern, müssen weitere Testläufe zeigen. Fakt ist: Der Arbeitsmarkt wird sich in den kommenden Jahren stark verändern. Die Folgen sind nicht zwangsläufig negativ, denn die Digitalisierung birgt ein enormes Potenzial, das es mit den richtigen Weichenstellungen auszuschöpfen gilt. Deshalb darf die Diskussion rund um die Zukunft der Arbeitswelt nicht allein von Angst und Panik geleitet sein, sondern vor allem von Realismus und Offenheit gegenüber dem digitalen Wandel.

Bei all der Diskussion um Maschinen, Roboter und Algorithmen darf aber eines nicht vergessen werden: Der digitale Wandel wird von Menschen angetrieben – nicht von Technologien. Deshalb sollten wir uns fragen, wie wir schon heute die richtigen Weichen stellen können, um Menschen auf die Arbeitswelt von morgen vorzubereiten. Innerhalb der Unternehmen kann mit Weiterbildungen, Umschulungen und neuen Arbeitsmethoden und -herangehensweisen viel bewirkt werden.

Die Politik wiederum muss handeln, indem sie insbesondere das Bildungssystem an die veränderten Anforderungen anpasst. Denn die Vermittlung der notwendigen Fähigkeiten ist der effektivste Weg, Menschen fit für den digitalen Arbeitsmarkt zu machen – und das bedingungslose Grundeinkommen ein sicherlich überlegenswerter Lösungsansatz, mit dem wir uns in Deutschland intensiv auseinandersetzen sollten.